Trauma-Weitergabe in die nächsten Generationen
Woran erkenne ich, ob ein Trauma meiner Eltern noch in mir wirkt? Wenn in den eigenen Träumen, in Phantasien, im Selbstbild oder im emotionalen Erleben und Handeln einer Person rätselhafte Motive und Symbole auftauchen, sich kein klarer Sinnzusammenhang aus der eigenen Vergangenheit herstellen lässt, lohnt sich ein Blick in die Biografie der Eltern und Großeltern. Wenn massive Schuldgefühle auftauchen, die nicht klar den eigenen Handlungen, der eigenen Lebensgeschichte zugeordnet werden können oder wenn die Abgrenzung zu den Eltern schwierig oder gar unmöglich erscheint. Dann liegt die Frage nahe, ob es innerpsychische Verzahnungen in vergangene Erlebnisse und Erfahrungen der Eltern gibt, die von der nachfolgenden Generation aufgenommen und damit häufig schwer gefasst werden können, wie Atmosphären ohne klare Aussagen.
Traumatisches Erleben liegt vor allem dann zugrunde, wenn sich im Leben Situationen, Konflikte oder Konstellationen immer wiederholen, die so nicht gewollt sind und häufig auch destruktiven Charakter haben können. Es kann sich anfühlen wie das Erleben einer gesprungenen Schallplatte, die immer und immer wieder am Sprung hängen bleibt und dieselbe Sequenz erneut abspielt. Wenn diese Wiederholung ohne Sinn zur eigenen Lebensgeschichte und damit undeutlich und verschwommen bleibt, kann die erweiterte Perspektive auf die Eltern und Großeltern hilfreich sein.
Doch wie können solche traumatischen Erfahrungen von Generation zu Generation weitergeben werden? Das passiert vor allem dann, wenn die Eltern-Generation ihre eigenen traumatischen Erfahrungen weder anerkannt noch verarbeitet hat. Dann werden diese belastenden Erlebnisse nicht in die eigene Lebensgeschichte sinnvoll eingebettet und können als unverarbeitete Fragmente im System der Betroffenen erhalten bleiben. Kinder
traumatisierter Eltern spüren sehr feinfühlig die Tabus, das was nicht gesagt, nicht gefühlt oder nicht getan wird und identifizieren sich unbewusst mit dem Erleben ihrer Eltern. Sie übernehmen manchmal sogar die Rolle der Eltern und kümmern sich emotional oder real um diese (Parentifizierung). Sie entwickeln ein Gespür dafür, was fehlt und versuchen unbewusst, diese Lücken zu füllen. So entstehen innerpsychische Verflechtungen zwischen den Generationen, die eine Abgrenzung für die nachfolgende Generation schwierig macht, vielleicht sogar unmöglich.
Faimberg (1985) verwendet dafür den Begriff des Telescoping. Das lässt bildlich klarwerden, wie sich Ebenen zwischen den Generationen ineinanderschieben, die vergangenes Erleben bis in die Gegenwart und damit häufig auch in die Zukunft der nächsten Generationen
hineinschieben, die mit dem ursprünglich traumatischen Erleben der Eltern nichts mehr zu tun haben. So ergibt sich sozusagen eine Verlängerung der Vergangenheit in die Zukunft und untergräbt damit das eigene Zeitgefühl. Das Vergangene, Unverarbeitete bleibt im Erleben der nachfolgenden Generation(en) erhalten und kann nur schwer bearbeitet werden, da die eigene Erfahrung und damit eine Erinnerung daran fehlt. In der Therapie, in der solche Fragmente auftauchen, wird es zunächst einmal darum gehen zu erkennen, was in die eigene Biografie gehört und das von dem
Material zu trennen, was unbewusst von vorherigen Generationen übernommen wurde.
Der Text basiert auf eigenen Erfahrungen und Inhalten dieses Artikels: Anzeige von Die unbewusste Weitergabe von Traumata und Schuldverstrickungen an nachfolgende Generationen | Journal für Psychologie (journal-fuer-psychologie.de)