Was ist eine toxische Beziehung und woran erkenne ich sie?
Toxische Beziehungen folgen einer – wie der Name schon sagt – toxischen Dynamik. Das heißt sie verwandeln sich von vermeintlich tollen Beziehungen ganz schleichend in schwierige, konfliktbeladene Partnerschaften, in denen meist einer besonders leidet. Die Dynamik in die Abwärtsspirale wird schneller und verletzender.
Der Zyklus
Anfangs beginnen toxische Beziehungen häufig fast traumhaft schön. Betroffene berichten von „fast zu schön um Wahr Zusein“, vom Traummann oder der Traumfrau, alles scheint bilderbuchmäßig zu passen. Ein wesentliches Merkmal zu Beginn so einer Beziehung ist neben dem Gefühl, den Glückstreffer gelandet zu haben, unter anderem das sogenannte „fast forwarding“.
Beziehungsschritte, die zu einer normalen Kennenlernphase gehören, werden übersprungen. Paare ziehen zu schnell zusammen, heiraten, obwohl sie sich erst ein paar Wochen kennen. Eine Bindung wird, von außen betrachtet, ohne Not zu schnell zu fest zusammengeschweißt. Ein weiteres Merkmal ist das sogenannte „love bombing“: der oder die Angebetete werden idealisiert, mit
Aufmerksamkeiten überschüttet und in den Himmel gehoben. Doch der Honeymoon dauert meist nicht sehr lang. Rückwirkend betrachtet können die ersten Anzeichen für die beginnende Abwertung von einem häufig schon nach ein paar Wochen erkannt werden. Ist die Abwärtsspirale erst eingeläutet, nehmen die Konflikte langsam Fahrt auf. Meist in Form von erst verdeckten, später offen zu Tage tretenden Abwertungen eines Partners durch den anderen. Auffällig ist, dass meist einer augenscheinlich mehr darunter leidet als der andere. Ist die Dynamik voll entwickelt, gehören Konflikte häufig zur Tagesordnung, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht zu einer konstruktiven Lösung der Streitpunkte beitragen können. Denn eine toxische Beziehung ist tendenziell nicht auf ein gemeinsames Wachstum ausgerichtet, in dem es beiden Partnern gut geht. In einer toxischen Beziehung stabilisiert sich meist ein Partner auf Kosten des anderen.
Bindungs-Dynamiken
Häufig sind es zugrundeliegende Bindungsmuster, die bei beiden Beteiligten wie Schlüssel und Schloss zusammenpassen. Betrachtet man toxische Beziehungen von außen, dann erscheint es häufig schwer nachvollziehbar, weshalb sich die Betroffenen nicht vom Partner lösen können. Toxische Beziehungen kreieren häufig Abhängigkeiten, die es wirklich schwierig machen, sich zu lösen. Auch weil oft sehr starke emotionale Anziehung zwischen den Partnern besteht. Hier sollte man sich fragen, ob einem die Beziehung noch guttut, auch wenn es diese sehr starke, häufig auch sexuelle Anziehung gibt. Bei den Bindungs-Dynamiken in toxischen Beziehungen spielen oft auch Verlustängste auf beiden Seiten eine Rolle und so ergeben sich immer wieder Situationen, in der der eine verzweifelt am anderen klammert, während der andere sich zurückziehen will. Denn eines ist klar: Eine toxische Beziehung ist für beide Parteien belastend. Oft für den einen mehr als für den anderen. Zu toxischen Beziehungsmustern kann es kommen, wenn einer – oder beide – narzisstische Wunden tragen oder eine Borderline Persönlichkeit beteiligt ist. Darüber hinaus gibt es noch mehrere Persönlichkeitstypen, die toxische Beziehungen eingehen, das können abhängige Persönlichkeiten sein oder auch psychopatisch geprägte Persönlichkeitsstile. Die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren, sich in den anderen hineinzuversetzen, für den anderen Mitgefühl zu empfinden und wirklich verzeihen zu können, sind eher selten, sie können
sich Co-Narzissten finden.
Einige Erkennungsmerkmale
Toxische Beziehungen erkennt man daran, dass Konflikte nicht konstruktiv gelöst werden können. Das bedeutet, das Thema, um das es inhaltlich geht, taucht – obwohl es vordergründig geklärt worden zu sein scheint – immer wieder auf. Es entsteht das Gefühl der Endlosschleife. Ein weiteres Kriterium ist die Abwertung. Ein Partner wertet den anderen offen oder verdeckt ab, zum Beispiel um sich damit indirekt aufzuwerten. So können solche verdeckten Abwertungen beispielsweise Scherze über den Partner – gerne vor Freunden – sein, die eigentlich unter die Gürtellinie zielen oder sehr Intimes ausplaudern. Vor Freunden deswegen, weil sich dann der Gedemütigte häufig aus Scham nicht traut, sich zu wehren, den Schein der guten Beziehung aufrechterhalten will. Aber auch körperliche Gewalt oder offen ausgesprochene Abwertungen – können vorkommen, je nach Persönlichkeitstyp.
Das Ende
Toxische Beziehungen haben ein Verfallsdatum. Hat die toxische Dynamik erst richtig eingesetzt, lässt sich die Abwärtsspirale
meistens nicht mehr stoppen. Das würde ja voraussetzen, dass beide die Dynamik erkennen und beide bereit sind, an ihrem eigenen Zutun zu arbeiten. Ist ein beteiligter narzisstisch verwundet, ist das gerade deshalb erschwert, weil ja das eigene Dazutun als richtig angesehen und nicht hinterfragt wird. So kommt es in toxischen Beziehungen zwangsläufig irgendwann zur Trennung oder die Partner verharren in Aussichtslosigkeit. Auch das typische „on – off“ ist ein weiteres Merkmal, das von außen betrachtet relativ schnell als ungesund erkannt wird. Da toxische Beziehungen von Abhängigkeits-Dynamiken gekennzeichnet sind –
und das häufig auf beiden Seiten – kommt es nach der Trennung zu einem „kalten Entzug“. Das heißt, es entsteht eine unerklärliche Sehnsucht nach dem anderen, die dann zur Wiederaufnahme der Beziehung führen kann, wenn man nicht 100% zur Trennung entschlossen ist. Und so setzt sich das ungute „Spiel“ wieder fort. Für Partner, die sich aus toxischen Beziehungen lösen wollen, ist es daher wichtig zu verstehen, dass es nach der Beendigung noch lange nicht vorbei ist. Hier ist häufig der totale Kontaktabbruch die einzige Möglichkeit, sich aus so einer Beziehung lösen zu können. Zumindest bis man über „den Berg ist“. Das kann eben mehrere Anläufe brauchen. Ist einer der beiden Partner psychisch stabiler, wird dieser von der Trennung profitieren. Der psychisch
Angeschlagenere wird tendenziell eher versuchen, den Kontakt wieder herzustellen. So paradox das wirken mag, aber manchmal ist eine schlechte und schmerzhafte Beziehung immer noch besser, als gar keine.
Fazit
Dieser Artikel beinhaltet nur einige Aspekte von toxischen Beziehungen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Gegenteil, er soll in das Thema einführen und erste Ideen liefern, dass etwas in einer Beziehung in die Falsche Richtung läuft. Die Bandbreite ist so vielschichtig, wie es verschiedene Menschen gibt und variiert sehr stark von den beteiligten Persönlichkeitsstilen. Doch eines haben alle toxischen Beziehungen gemeinsam: es geht nicht um ein gemeinsames Wachstum, in dem es beiden Partnern gut geht. Schmerz, Verletzung, Drama, Trennung kommen hier viel häufiger vor, als in gesunden Beziehungen. Energie geht verloren, statt dass man durch die Beziehung Energie und Lebensfreude gewinnen würde. Gemeinsame Erfahrungen fühlen sich „komisch“ and oder „ungut“, auch wenn man den Finger nicht genau darauflegen kann, was eigentlich los ist. Denn toxische Beziehungen verstricken tendenziell, verschleiern und verwirren. Sie stiften eher Chaos als dass sie das Leben ordnen und vor allem binden sie die Aufmerksamkeit. Wenn Sie also nur noch mit ihrer Beziehung beschäftigt sind und sich Ihr Leben um nichts anderes
mehr dreht, dann ist es höchste Zeit inne zu halten und zu prüfen, in welcher Art von Beziehung Sie sich gerade befinden.