Ausgrenzung, noch ist es nicht zu spät
Was bedeutet Ausgrenzung? DWDS.de [1]definiert Ausgrenzung zum einen als „das Ausschließen, Herausnehmen von etw. aus einem größeren Ganzen; das Ausgegrenztwerden, Ausgeschlossensein von etw.“ und zum anderen als „das Ausschließen, Hinausdrängen von jmdm. aus einer Gemeinschaft; das Isoliertwerden, Ausgeschlossensein von jmdm“. Es kann sich also um das Herauslösen, das Ausschließen und Isolieren von Dingen wie Produkten, Leistungen oder Fachgebieten handeln, genauso wie um Personen. Werden Personen ausgegrenzt, spricht man synonym auch von „Diskriminierung“, wie dort beschrieben wird. Betrachtet man das Wort Ausgrenzung auch noch aus psychologischer Sicht, kommt noch eine andere, alte Bedeutung hinzu. Spektrum.de [2]definiert Ausgrenzung als eine „Vorgehensweise zu Kontrolle von Angst gegenüber psychisch Kranken bzw. ‚Irren‘.“ Zunächst handelte es sich in der Historie um eine Methode der „aufstrebenden Städte“, sich „von unsozialen, bettelnden, vagabundierenden und nicht familiengebundenen Menschen“ zu „‘reinigen‘“. Später wurde daraus ein „Einsammeln derer, die mit den Mitteln der Vernunft nicht zu kontrollieren waren“. Wenn es um Ausgrenzung geht, geht es also immer auch um ein „Loswerden“ von andersdenkenden oder andersartigen Menschen, die sich nicht an die Konformitäten der Gesellschaft halten können oder wollen.
Ausgrenzung hat viele Gründe. Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung[3] hat sie oft damit zu tun, „dass man etwas nicht mit anderen teilen möchte“, „Misstrauen gegenüber Menschen“ hegt oder sogar Angst hat vor dem Andersartigen im anderen. Das kann, meint die Bundeszentrale, soweit führen, dass „sich Menschen durch Ausgrenzung anderer dann in ihrer Gruppe besonders stark“ fühlen. Und Ausgrenzung hat Folgen. Diese Studie[4] auf sciencedirect.com von April 2021 bezieht sich hautsächlich auf Stichproben von Kindern und Jugendlichen und belegt, dass soziale Ausgrenzung das Risiko erhöht, Jahre später an einer Depression zu erkranken. „Die Adoleszenz stellt einen besonderen Zeitraum in der Ontogenese dar, in dem der Einzelne seine soziale Identität entwickelt und soziale Verbundenheit und Akzeptanz besonders wichtig sind.“
Mit der Ausgrenzung Nicht-Geimpfter aus dem öffentlichen Leben, von Kultur, Gaststädten und jetzt auch Universitäten wird aus meiner Sicht eine Grenze überschritten, die ich nicht mehr gutheißen kann. Diese Vorgehensweise verletzt nicht nur die Grundrechte unserer Demokratie[5] und die Menschenrechte[6], sie stigmatisiert und diskriminiert einen Teil unserer Gesellschaft. Und sie macht Menschen krank. Dies trifft vor allem auch die Jugend, die gerade in diesem Alter das Gefühl von Zugehörigkeit und Inklusion verstärkt braucht.
Ausgrenzung ist unethisch und inhuman. Sie errichtet Grenzen, die wir – wenn sie sich erst in den Köpfen der Menschen verfestigt haben – nur noch mit Mühe werden abbauen können. Das Misstrauen, das jetzt durch die künstliche Aufspaltung in Geimpfte und Ungeimpfte entsteht, wird sich nur schwer wieder legen. Es ist noch nicht zu spät. Wir können jetzt als Gesellschaft zeigen, dass wir Inklusion und Diversität wertschätzen und leben, indem wir die persönlichen Entscheidungen von Menschen respektieren, die sich nicht impfen lassen wollen. In dem wir unsere Stimme erheben gegen eine Politik der Diskriminierung und fordern, dass Lösungen gefunden werden, bei denen der Impfstatus keine Rolle spielt. Noch ist Zeit für eine Kursänderung, bevor wir später die Schäden beheben müssen, die wir jetzt noch verhindern können.
[1] https://www.dwds.de/wb/Ausgrenzung
[2] https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/ausgrenzung/1729
[3] https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politik-lexikon/319880/ausgrenzung
[4] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666915321000457
[5] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_2.html
[6] https://www.amnesty.de/alle-30-artikel-der-allgemeinen-erklaerung-der-menschenrechte